Im Interview mit dem Logistiker-Blog spricht der Vorsitzende des Radlogistik Verband Deutschland e.V., Martin Schmidt, über die Vorteile der Zustellung mit Lastenrädern, die Probleme auf der letzten Meile und seine Forderungen an die Politik. Dass sein Beruf auch wirklich eine Berufung ist, merkt man auf den ersten Blick. Zackig und in Radkleidung kommt Martin Schmidt zum Interview zu uns in die Redaktion. Der Vorsitzende des Radlogistik Verband Deutschland e.V., der auch als Geschäftsführer ein City-Logistik-Unternehmen mit Lastenrädern leitet, musste kurzfristig für einen Mitarbeiter einspringen. Nach einer kurzen Atempause fängt er an zu erzählen und hört erst eine Stunde später wieder auf.

Martin Schmidt, Vorsitzender des Radlogistik Verband Deutschland e.V. (Bildquelle: Martin Schmidt)
Logistikerblog: Im September hat sich der Radlogistik Verband Deutschland auf Ihre Initiative hin gegründet. Warum brauchen wir diesen Verband?
Martin Schmidt: Wir brauchen eine Interessenvertretung für all diejenigen, die das Thema Radlogistik vorantreiben wollen. Aufgrund der zunehmenden Verstopfung der Innenstädte müssen wir die urbane Logistik neu überdenken. Wir haben eine große Diskussion über Kohlenstoffdioxid und Feinstaub, aber nicht über Verkehrsflächen. Die Lösung dafür ist nicht, mit Elektroautos zu fahren, da diese die Verkehrsproblematik nicht lösen. Wir müssen auch über neue Fahrzeuge sprechen und das sind eben solche, die besser ins Stadtbild passen. Das sind Lastenräder. Weil die Bedingungen so schlecht sind, braucht es ein Sprachrohr. Dabei sind wir der deutsche Ableger der Europäischen Fahrradlogistikvereinigung ECLF.
Logistikerblog: Wie kam es zur Gründung des deutschen Verbandes?
Schmidt: Ich war 2017 auf der europäischen Radlogistikkonferenz in Wien. Das hat mich sehr begeistert. Dort bildete sich schon ein Netzwerk aus deutschen Radlogistikern, die dann sehr gern die Einladung des damaligen Staatssekretärs in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Jens-Holger Kirchner, angenommen haben, die nächste Konferenz in Berlin zu organisieren. Das haben wir 2018 mit dem Senat auch gemacht und dann beschlossen, den Verband zu gründen.
Logistikerblog: Was sind Ihre Ziele?
Schmidt: Wir wollen zum einen die Rahmenbedingungen für Radfahren im Allgemeinen und für Radlogistiker verbessern. Da sind vor allem die Kommunen gefragt, die die Straßen und Radwege bauen, aber auch Flächen beispielsweise für Mikrodepots bereitstellen. Sie müssen wahrnehmen, dass sie mit der Radlogistik einen Lösungsbaustein in die Hand bekommen, um ihre kommunalen Verkehrsprobleme zu lösen. Wir müssen als zweites die KEP-Dienstleister von einem

Lastenräder im Einsatz (Bildquelle: Martin Schmidt)
neuen Prozess überzeugen, nicht mehr mit einem Transporter von einem Depot außerhalb in die Stadt zu fahren, sondern einen Zwischenschritt über das Mikrodepot zu machen. Das kostet sicherlich mehr Zeit und auch Geld, ist aber langfristig gesehen günstiger, weil man mit dem Rad keinen Smogalarm und keine Citymaut fürchten muss. Der dritte Baustein sind die Lastenradhersteller. Hier müssen wir sehen, dass sich der Markt und die Technologie in die richtige Richtung entwickeln. Spannend finde ich, dass sich nun auch erste Autobauer für das Thema Lastenräder interessieren.
Logistikerblog: Haben sie Sich als Verband schon Gehör verschafft und was erreicht?
Schmidt: Schon allein die sich ausweitende Diskussion über Lastenräder ist ein Gewinn. Im Herbst veranstalten wir die 1. Nationale Radlogistik-Konferenz in Berlin. Davon erhoffen wir uns eine Signalwirkung. Die Menschen müssen erstmal begreifen, dass es dieses Thema überhaupt gibt.
Logistikerblog: Lastenräder sind sauber, leise und schlank. Was muss sich ändern, damit mehr Räder dieser Art auf die Straße kommen?
Schmidt: Die Förderprogramme sind ein guter Anfang, da Lastenräder mit mehr als 5.000 Euro noch sehr teuer sind. Das Problem sind die geringen Stückzahlen und die nicht ausgereiften Produktionsverfahren. Eine weitere Möglichkeit wären Finanzierungsmodelle für Leasingräder.
Logistikerblog: Kann eine Zustellung mit Lastenrädern vor diesem Hintergrund wirtschaftlich sein?
Schmidt: Unterm Strich muss es nicht teurer sein als der herkömmliche Weg. Bislang ist die Zustellung mit Lastenrädern wahrscheinlich noch teurer, weil die Arbeitsabläufe noch nicht ausgereift sind. Es gibt in diesem Bereich noch viel Entwicklungspotenzial für den intelligenten Depotumschlag.

Martin Schmidt im Gespräch mit der Logistikerblog-Redakteurin Nina von Imhoff (Bildquelle: Bruno Lukas)
Logistikerblog: Sind die Lastenräder robust?
Schmidt: Das schon. Man merkt jedoch im täglichen Gebrauch, dass das Problem im Detail steckt. Sie sind wesentlich wartungsintensiver als Autos. Das Verhältnis zwischen Eigen- und Ladegewicht ist zudem ganz anders. Immer mehr Hersteller nutzen schon stabilere Systeme. Dennoch gibt es da viel Entwicklungspotenzial. Wir brauchen noch viel mehr Zuverlässigkeit.
Logistikerblog: Wie sind die Konditionen für Fahrer?
Schmidt: Der Vorteil für Radfahrer in der Zustellung ist, dass sie keinen Führerschein benötigen. Das erleichtert die Suche, obwohl es dennoch schwierig ist, Mitarbeiter zu finden. Man muss schon leidenschaftlich gern Rad fahren. Die Vergütung ist marktüblich. Der deutsche Paketmarkt ist preislich sehr schwierig. Fraglich ist aber auch unser Konsumverhalten, das auch stark von den – relativ niedrigen – Versandkosten beeinflusst wird.
Logisterblog: Die Mitarbeiter Ihres Unternehmens fahren im Pilotprojekt KoMoDo, in dem sich die fünf größten Paketzusteller Deutschlands ein Mikrodepot teilen, für einen der großen Zusteller. Welche Erkenntnisse haben sie im ersten Jahr gesammelt?
Schmidt: Das Projekt ist extrem positiv, weil man es geschafft hat, alle KEP-Dienstleister, die miteinander gar nichts zu tun haben, auf einer Fläche zusammenzubringen. Die Außenwirkung in der Bevölkerung ist ebenfalls sehr positiv. Das Projekt zeigt aber auch, dass die Fläche im Prenzlauer Berg zu klein zum Entladen und Sortieren ist. Zudem sind die sanitären Anlagen verbesserungswürdig.
Logisterblog: Man liest immer wieder Kommentare, dass die Zustellung mit Lastenrädern Gehwege zustellen. Muss im Bewusstsein der Bevölkerung noch etwas getan werden, um Lastenräder zu etablieren?
Schmidt: Ich verstehe die Skepsis. An dieser Stelle ist auch wieder die Kommune gefordert, die Verkehrsfläche anders zu verteilen. Wir haben sehr schmale Radwege, von der Qualität ganz zu schweigen. Ich bin auch ganz rigoros. Überall wo es zwei Autospuren in eine Richtung gibt, müsste eine zu einem Radweg ausgebaut werden. Städte wie Amsterdam und Kopenhagen sind in dieser Beziehung viel fortschrittlicher als Berlin.
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