
Von einem City-Hub können Lastenräder die Feinverteilung zu den Verbrauchern übernehmen. Quelle: dpd
Da kann einem schon mal die Luft wegbleiben: Aber nicht aufgrund der weltberühmten Sehenswürdigkeiten, die London zu bieten hat, sondern hinsichtlich der hohen verkehrsbedingten Luftbelastung in der Millionenmetropole. Restriktionen wie die seit fast 20 Jahren geltende City-Maut und das Verbot von Dieselfahrzeugen haben zwar zu einer leichten Verbesserung geführt, dennoch hat die Stadt an der Themse nach wie vor mit einer schlechten Luftqualität und einem immensen Verkehrsaufkommen zu kämpfen.
Anfang Juni hat die Stadtverwaltung nun ein neues Projekt angeschoben, das die Belastung durch den Güterverkehr verringern soll. Der Plan sieht vor, noch in diesem Jahr drei neue innerstädtische Logistikzentren für die „letzte Meile“ und bis 2025 zwei weitere zu errichten. Diese Zentren entstehen auf nicht ausgelasteten Parkplätzen oder brachliegenden Industrieflächen. Neben einem ehemaligen Lagerhaus in Wembley sollen der Euro Car Park und die North London Waste Authority zum City-Hub umgestaltete werden. Von dort aus übernehmen dann emissionsarme Elektrofahrzeuge, im Idealfall E-Cargobikes, die Feinverteilung und verringern somit die Anzahl der großen, sperrigen Lieferwagen.
Immobilienunternehmen sehen brachliegende Industrieareale als Chance, um sie in städtische Verteilzentren umzuwandeln
„Nicht ausgelastete Parkplätze“ – in einer engen und dichtbesiedelten Millionenmetropole wie der englischen Hauptstadt? Das klingt zunächst wie ein schlechter Scherz. Und in der Tat, freie innerstädtische Flächen sind schwer zu finden. Zudem eignet sich nicht jede brachliegende Industrieimmobile als City-Hub, da die Strukturen nur schwer angepasst werden können. Laut der britischen Denkfabrik ,The Centre for London‘ sind in den vergangenen 20 Jahren 24 Prozent der Industrieflächen in London verloren gegangen. Dennoch gibt es Flächen, die für das neue Konzept infrage kommen. Große englische Immobilienunternehmen, wie die British Land, sehen diese Areale sogar als Chance, um die Entwicklung von Logistikimmobilien weiter voranzutreiben und in städtische Vertriebszentren umzuwandeln. Um die Dichte zu erhöhen und den Raum neu zu nutzen, bedarf es jedoch einer Menge innovativer Lösungen. Aufgrund des rasanten Anstiegs des E-Commerce in den vergangenen Jahren, der durch die Pandemie zudem beschleunigt wurde, entscheiden sich Unternehmen wie die British Land jedoch bewusst für solche Projekte. Denn die City-Depots tragen dem Verlangen der Verbraucher nach immer kürzeren Lieferzeiten am besten Rechnung. Hinzu kommen vor allem in London die neuen ultraschnellen Lieferfirmen wie Getir und Gorillas, mit ihrem Versprechen, den Verbrauchern innerhalb von Minuten Lebensmittel zu liefern.
Leerstehende Parkhäuser eignen sich besonders gut für City-Hubs
Flächen mit dem größten Potenzial für die Umwandlung in urbane Logistikstandorte sind zentral gelegen und verfügen über ein breites Einzugsgebiet, das mit E-Cargobikes am besten bedient werden kann. In der Regel sind leerstehende Parkhäuser oder Parkplätze bestens geeignet, da sie bereits gut an die Infrastruktur angebunden sind und über ausreichend Platz für die Kommissionierung verfügen. Statt große, klobige Lieferwagen täglich für die Sendungszustellung von einem Hub außerhalb in die Innenstadt zu schicken, findet der Warenumschlag nun in einem Depot am Stadtrand statt. Der Weitertransport erfolgt idealerweise mit kleineren Elektrotransportern zum City-Hub. Diese Aufsplittung der „letzten Meile“ ist vor allem für E-Commerce-Unternehmen interessant, weil sie in der Regel viele kleine Sendungen in dichten Ballungsräumen zustellen. So hat London beispielsweise im vergangenen Jahr 39 Parkplätze auf dem London Wall Car Park an Amazon vermietet. E-Cargobikes haben neben der emissionsfreien Zustellung vor allem den Vorteil, dass sie schmal und wendig sind, nicht in der zweiten Reihe parken sowie auf Rad- und Gehwegen fahren können. Das erhöht die Effizienz der Zustellung.

Unter anderem waren diese Lastenräder beim Projekt Komodo in Berlin im Einsatz. Quelle: Martin Schmidt
Andere europäische Metropolen zweigen, dass City-Hubs den Verkehr spürbar entlasten
Beispiele aus anderen europäischen Metropolen – wie beispielsweise Paris oder Berlin zeigen – dass City-Hubs den Verkehr spürbar entlasten und die Luftqualität verbessern können. In der französischen Hauptstadt wurde der Bahnhof Gobelins umgestaltet, um eine Mischung aus Büro- und Logistikflächen zu schaffen. Das Projekt umfasst ein 75.000 Quadratmeter großes unterirdisches Logistikzentrum für den städtischen Vertrieb und die Zustellung auf der „letzten Meile“ sowie eine Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Am Tempelhofer und Mariendorfer Damm in Berlin bekommen Geschäftsinhaber ihre bestellte Ware mittlerweile mit E-Cargobikes angeliefert. Zudem zeigte das Forschungsprojekt Komodo im Prenzlauer Berg, dass der Einsatz eines dienstleisteroffenen Systems von Mikro-Depots möglich ist.
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