Vor dem Hintergrund des EU-Beschlusses, der Lkw-Herstellern vorschreibt, den Kohlenstoffdioxidausstoß von 2030 an um 30 Prozent zu reduzieren, rücken alternative Antriebe in den Vordergrund. Neben Elektro- und Hybridmotoren ist die Chance für eine schnelle Verbreitung von Flüssigerdgas oder Liquefied Natural Gas (LNG) als Dieselalternative groß, da sich dies aufgrund der großen Reichweite für den Fernverkehr besonders gut eignet. Als die größten Nachteile der Elektro- oder Hybridantriebe erweisen sich unter anderem die geringe Reichweite und die löchrige Infrastruktur. Zudem sind die Akkus zu schwer und zu teuer. „Im Schwerlastverkehr ist eine Elektrifizierung weder wirtschaftlich noch technisch
sinnvoll. Hier können gasbasierte Kraftstoffe, die klima- und umweltschädliche Emissionen massiv senken“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) Gerald Linke. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn man in Betracht zieht, dass der Verkehr einen Anteil von rund 45 Prozent an der gesamten Emission hat.
„Im Schwerlastverkehr ist eine Elektrifizierung weder wirtschaftlich noch technisch sinnvoll“

Präsentation eines Iveco LNG Lkw beim Forum Grüne Logistik von Bodan – rechts im Bild: Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg (Bildquelle: Bruno Lukas)
LNG ist bestens speicherbar, klimafreundlich, hocheffizient und wirtschaftlich. Aus diesem Grund hat vergangenen Herbst eine Tankstelle mit flüssigem Erdgas vor den Toren Berlins eröffnet. Die Anlage ist eine von bislang nur zwei öffentlichen für den Fernverkehr in Deutschland überhaupt und wurde an einem strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Grünheide errichtet. Die Gemeinde an der A 10, südöstlich der Hauptstadt gelegen, weist ein besonders hohes Aufkommen von Fernverkehr auf. Die Tankstelle deckt damit die Nachfrage nach dem Kraftstoff LNG aufgrund ihrer optimalen Erreichbarkeit für Logistik- und Transportunternehmen ab. Ab sofort können am Standort in Grünheide jeweils zwei LNG-Fahrzeuge parallel und rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche mit flüssigem Erdgas betankt werden. Ein einzelner Tankvorgang dauert dabei zwischen vier und acht Minuten weitere Tankstellen sind an zentralen Standorten wie Hamburg, Hannover, Kassel, München, Kamen, Ulm und Köln geplant.
LNG – Der Treibstoff der Zukunft?
Mit flüssigem Erdgas betriebene Lkw zeichnen sich durch eine im Vergleich zu Lkw, die konventionelle Kraftstoffe nutzen, höhere Umweltverträglichkeit aus. Sie stoßen nach Angaben des DVGW bis zu 90 Prozent weniger Feinstaub aus und etwa 80 Prozent weniger Stickoxide. Zudem wird der Kohlenstoffdioxidausstoß um bis zu ein Viertel reduziert. Die Lärmbelästigung sinkt um die Hälfte. Mit einer Tankfüllung LNG können aufgrund der hohen Energiedichte mehr als 1500 Kilometer zurückgelegt werden. Laut DVGW sind für eine flächendeckende Versorgung in Deutschland 50 LNG-Tankstellen notwendig. Die Infrastruktur für LNG steht jedoch noch am Anfang. „Die Tankstelleninfrastruktur für flüssiges Erdgas muss ausgebaut werden. Damit der Markt für LNG wachsen kann, brauchen wir genügend Betankungsmöglichkeiten. Es gibt zu wenige LNG-Tankstellen,“ sagte DVGW-Vorstandsvorsitzender Linke auf dem Symposium „Zukunft Gas-Mobilität“ kürzlich in Berlin.

LNG Lkw im Realeinsatz bei TEVA (Bildquelle: TEVA GmbH)
Teva testet erfolgreich ein mit LNG betriebenen Lkw
Eine Firma, die den Transport mit einem konventionell betriebenen Lkw und einem LNG-Lkw getestet und verglichen hat, ist das in Ulm ansässige Arzneimittelunternehmen Teva. Die unmittelbare Nähe zur LNG-Tankstelle auf dem Ulmer Iveco-Gelände erleichterte den Praxistest. Teva-Fuhrparkleiter Bernd Schlumpberger ließ einen 400 PS starken Iveco Stralis LNG im nationalen Fernverkehrvergleichstest auf einer Strecke von 75.000 Kilometern gegen einen gleich stark motorisierten Euro 6 Diesel-Lkw antreten. Das Ergebnis: Der LNG-Truck lag mit einem Ausstoß von 22,1 Kilogramm pro 100 Kilometer niedriger als beim Dieselfahrzeug mit 24,6 Litern. Im Vergleich zur Dieselvariante ergab sich zum Testzeitpunkt 2018 ein Kostenvorteil von 7.640 Euro jährlich. Auch die Emissionsbilanz kann sich sehen lassen. Die Kohlenstoffdioxideinsparung im Vergleich zur Dieselvariante liegt bei 6,698 Tonnen. „Mit diesen Vorteilen für die Wirtschaft und Umwelt stellt LNG für uns eine ausgereifte Serienlösung dar“, sagte Schlumpberger. Deshalb hat sich Teva dazu entschlossen, die erdgasbetriebene Iveco-Zugmaschine in den Serienbetrieb zu nehmen.
Auch Lkw-Hersteller bringen erste LNG-Lkw auf die Strecke
Für kürzere Strecken im Fernverkehr gibt es bereits zahlreiche Projekte, die sich in der Praxis bewährt haben. So verstärkt beispielsweise bei Porsche der erste emissionsfreie 32-Tonnen-Sattelzug eTGM auf Basis einer MAN-Zugmaschine die Produktionsflotte. Er pendelt auf der 19 Kilometer langen Strecke zwischen Freiberg am Neckar und Zuffenhausen. Auf einen ersten Langzeittest im eigenen Land setzt auch DAF Trucks bei seinem in Kooperation mit den niederländischen Busbauer VDL Bus & Coach entwickelten CF Electric. Der erste vollelektrische Lkw der Marke kommt bei der niederländischen Supermarktkette Jumbo zum Einsatz. Daimler Trucks testet die ersten vollelektrischen e Actros seit September des vergangenen Jahres bei deutschen Unternehmen und hat auch schon einen elektrischen Freightliner in die USA ausgeliefert. Und auch Lkw mit Brennstoffstelle und Wasserstofftanks (H2) sind bereits auf der Straße unterwegs. So stellte beispielsweise Toyota Anfang Mai gemeinsam mit dem Truck-Spezialisten Kenworth die nächste Generation eines Brennstoffzellen-Lkw für den Fracht-. und Güterverkehr vor. Für den europäischen Markt will das US-amerikanische Start-up Nikolka ab 2022 das neue Modell „Nikola Tre“ produzieren und ab dem kommenden Jahr in Norwegen testen. Dieses soll bis zu 1.200 Kilometer weit mit einer Wasserstoffbefüllung kommen
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