In Großbritannien fehlen 100.000 Lkw-Fahrer.

Lange Schlangen an den Tankstellen, leere Supermarktregale und keine Milchshakes mehr bei McDonald’s – die Versorgungskrise in Großbritannien hatte im Herbst des vergangenen Jahres für große Aufregung auf der Insel gesorgt. Das Hauptproblem: Fehlende Lkw-Fahrer und Fachkräfte in der Logistik aufgrund des Brexits. Die Regierung in London schweigt jedoch weiterhin beharrlich, dass der EU-Austritt verantwortlich für die Misere ist.

Rund ein halbes Jahr später sind nach Angaben des Handelsverbands Logistics UK im Vereinigten Königreich mehr als 700 Frauen und Männer auf dem Weg, eine neue Karriere als LKW-Fahrer zu beginnen. Möglich macht dies eine von der Driver Academy Group koordiniert Schulung. Initiiert wurde die Academy unter anderem vom Bildungsministerium. Sie finanziert spezielle Bootcamps, um den landesweiten Fahrermangel zu beheben.

Ausbildung auch bei Frauen gefragt

Die kostenlosen Kurse richten sich sowohl an Personen ohne Berufserfahrung, die eine Karriere als Lkw-Fahrer anstreben, als auch an Unternehmen, die bestehende Fahrer weiterbilden wollen. Diese können eine staatliche Finanzierung in Höhe von 70 Prozent der Kosten des Programms beantragen. Logistics UK betont den hohen Frauenanteil in den Camps. Mehr als sieben Prozent der Teilnehmer sind weiblich – mehr als doppelt so viele wie der Branchendurchschnitt. Nach der Anmeldung zum Bootcamp durchlaufen die Teilnehmer ein auf sie zugeschnittenes Programm, an dessen Ende eine abgeschlossene Ausbildung oder eine zusätzliche Zertifizierung steht. Neben Kurse für Neulinge in der Branche sind ein Lizenz-Upgrade, eine ADR – Gefahrgutschulung und eine Auffrischungsschulungen für bestehende Lkw-Fahrer möglich.

Fahrermangel – eine länderübergreifende Herausforderung

Der britische Spediteursverband RHA (Road Haulage Association) schätzt, dass derzeit 100.000 LKW-Fahrer fehlen. Rund 20.000 ausländische Fahrer hätten seit dem Brexit Großbritannien verlassen. Angesichts dessen sind die Bootcamps mit 700 Teilnehmern und rund 4.000 Interessenten, deren Anmeldungen derzeit bearbeitet werden, nur ein kleiner Anfang. Auch in Deutschland oder im restlichen Europa fehlen Lkw-Fahrer. Allerdings ist der Mangel noch nicht so gravierend, weil die Logistikdienstleister weiterhin Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben – Großbritannien seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Spezielle Bootcamps wie im Vereinigten Königreich gibt es nicht. Spediteure und Transportunternehmen versuchen mit speziellen Prämien, verbesserter Bezahlung, mehr Wertschätzung und einem hohen Grad an Digitalisierung im Lkw, Fachkräfte zu gewinnen.