„Mutig machen“ lautete das diesjährige Motto des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin. Damit knüpfte die Bundesvereinignung Logistik (BVL) an die 2018 vorgestellte Image-Kampagne der „Wirtschaftsmacher“ und „Logistikhelden“ an – denn Helden brauchen Mut. Und der Lkw-Fahrer, der Disponent und der Picker im Lager sind die stillen Helden der Branche, ohne die in der Wirtschaft buchstäblich alle Räder still stehen würden. Dass die Logistiker jetzt eine Extra-Portion Mut brauchen, sagen uns nicht nur die Charts der Konjunkur-Analysten, sondern auch der massive Umbruch, der durch die Digitalisierung ausgelöst wurde. Denn zu den viel diskutierten Folgen der Digital Supply Chain gehören einerseits die (gewollte) Plattform-Ökonomie a la Amazon und Zalando. Andererseits sorgt sich die Branche um den Wegfall von Arbeitsplätzen.

Klar ist, dass in niedrigqualifizierten Segmenten z.B. bei einfachen Lagertätigkeiten Arbeitsplätze verschwinden werden. Schwieriger zu prognostizieren ist es schon, ob in 10 bis 20 Jahren der Job der Lkw-Fahrers durch das autonome Fahren obsolet wird oder ob der Fahrer soger profitiert und zum „Transportmanager“ befördert wird. So oder so: es kommen Risiken, aber auch große Chancen durch die Digitalisierung. Die Frage ist, ob die Logistikbranche das halbleere oder das halbvolle Glas sehen will und wird.

Digiale Lieferkette – was ist heute möglich?

Podiumsdiskussion zur Sequenz „Datenbasierte Supply Chain Optimierung“ auf dem BVL-Kongress (Bildquelle: Bruno Lukas)

Wie ist der Stand der Dinge, wie geht es der Logistik mit der Digitalisierung? Die Sequenz „Datenbasierte Supply Chain Optimierung“ gab auf dem BVL-Kongress Einblicke und Ausblicke. Was heute möglich und für morgen denkbar ist, zeigten Referenten von BMW, Sick, SMS, HERE und Hermes. Die digitale Revolution, die uns auch in der Logistik zweifelsohne erwartet, kommt eher schrittweise als Evolution daher – allerdings nicht minder wuchtig in den Auswirkungen. Drei Beispiele einer Digital Supply Chain skizzieren, was heute schon möglich ist und welche Potenziale die Digitalisierung bietet.

Autonome Zugmaschine für Trailer auf BMW-Werksgelände

BMW stellte seine Strategie „Logistics Next“ vor, wofür der Autobauer am Vorabend den Deutschen Logistik-Preis des BVL gewonnen hatte. Die Münchner vernetzen ihre Supply Chain, sie optimieren und automatisieren innerbetriebliche Logistikprozesse. Ein Beispiel ist der „Autotrailer“, ein selbstfahrendes Transportsystem im Leipziger Werk. Die mobile Plattform befördert Lkw-Auflieger autonom zur jeweiligen Be- und Entladestation. In Deutschland ist der Start des Serienbetriebes ist noch im Herbst vorgesehen, zudem sei ab Mitte 2020 der Einsatz im US-Werk Spartanburg vorgesehen.

Physische und Infoflüsse verknüpfen: Sick baut digitale Ketten

Die digitalisierte Supply Chain: Präsentation von Sick

Die digitalisierte Supply Chain: Präsentation von Sick (Bildquelle: Bruno Lukas)

Der Sensorhersteller Sick baut zusammen mit Kunden digitale Ketten auf, in dem das Unternehmen die physischen Materialflüsse und die Infoflüsse intelligent verknüpft. Ein Beispiel für eine zentrale Komponente der Digital Supply Chain sind die Paletten-Tracker, die Sick mit der Telekom für EPAL entwickelt hat: in den Paletten integierte Sensorik sorgt für die Visibility der Ladungsträger. Sick-Referent Bernd von Rosenberger erläuterte, wie der automatisierte, digitalisierte Empfang von Waren den B2B-Kunden am Ende der Lieferkette entlastet und die Prozesse erheblich beschleunigt. Er sprach sich dafür aus, dass der deutsche Mittelstand eigene digitale Ketten aufbaut – und stellte ein Pilotprojekt mit namhaften Unternehmen wie Würth, Festo, Krone und Rhenus vor. Vor allem deutsche Mittelständler sollen sich dabei den Wert der Daten-Souveranität bewusst machen. Diese sollten sich das Daten-Management nicht von großen Playern vorschreiben lassen, die das eher „monopolistisch“ betreiben würden.

HERE Technologies: Supply Chain in Echtzeit optimieren

Wo ist der beste Standplatz zum Entladen? HERE unterstützt Fahrer auf der letzten Meile mit digitalen Karten und Services (Bildquelle: Bruno Lukas)

Christoph Herzig von HERE Technologies, einem Hersteller digitaler Karten für Straßenfahrzeuge, zeigte die Möglichkeiten der Steuerung der Supply Chain in Echtzeit auf. Über eine Open Location Plattform bietet das Unternehmen Logistikern einen Web-Service. Dieser greift auf einen „digitalen Zwilling“ der realen Welt zu, mit rund 800 Attributen pro Straßensegment. Zum Vergleich: herkömmliche Navigationssysteme nutzen lediglich rund 25 Attribute. Ein Beispiel aus der City-Logistik auf der letzten Meile: Sensorik-Daten eines Fahrzeuges in einer Gefahrensituation ließen sich etwa dafür verwenden, um alle Flottenteilnehmer vor Gefahren, etwa Glatteis oder Starkregen, zu warnen. Genauso könnten sich neu eingestellte Fahrer eines Lieferdienstes die im System eingespeicherten Erfahrungen routinierter, langjähriger Fahrer zunutze machen. Dies sei etwa sinnvoll, wenn es um die effizientesten Routen oder die besten Haltepunkte für das Entladen geht.

Der Mensch bleibt die wichtigste Einflussgröße

Die Beispiele zeigen meiner Meinung nach, welchen Einfluss der Mensch trotz hochgradig automatisierter Prozesse weiterhin hat. Erstens machen sich Menschen (über die digitale Plattform) die Erfahrungen anderer Menschen zunutze – so etwa bei der „besten“ Routen-Auswahl. Diese „optimale Route“ beruht vor allem auf der täglichen Beobachtung der Verkehrsflüsse und der Kundengewohnheiten. Sie beinhaltet sicherlich auch immer eine Prise Improvsationskunst – eine Kunst, die Maschinen schwer lernen werden, wenn überhaupt. Zweitens geht es darum, aus dem „Big Data“-Wust die sinnvollen Daten herauszufiltern und nutzbar zu machen. Dies erfolgt am besten von offen verfügbaren Datenquellen ausgehend, und nicht von „closed shops“ großer Datenmonopolisten.