Stationäre Apotheke in Berlin-Mitte (Bildquelle: Nina von Imhoff)

Das Coronavirus hat das öffentliche Leben in Deutschland und weiten Teilen Europas fast zum Erliegen gebracht. Seit Montag gelten verschärfte Ausgangsbeschränkungen. Menschen dürfen ihre Wohnung nur noch in Ausnahmefällen, beispielsweise um Lebensmittel und Medikamente zu kaufen, verlassen. Vor allem Menschen mit Vorerkrankungen und Senioren sind von den weitreichenden Beschränkungen betroffen. Sie sollen sich möglichst in Quarantäne begeben, um sich nicht unnötig dem Risiko einer Infektion auszusetzen.

Große Chance für lokale Botendienste

Für diese Risikogruppen ist es jedoch wichtiger denn je, an Arzneimittel zu kommen, die sie dringend brauchen. Was also tun, wenn der Gang aus dem Haus zu einem Risiko werden kann? Nun sind die Apotheken gefragt. Die momentan schwierige Situation ist für sie auch eine große Chance, einen lokalen Botendienst für Endkunden zu Hause und in Pflegeheimen zu etablieren – und das dauerhaft. Somit könnten sie nicht nur ihre lokale Präsenz stärken, sondern auch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Denn der Botendienst soll vor allem dazu dienen, Patienten zu versorgen, die auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gehen sollten. Um die lokalen Apotheker zu unterstützen, bezahlt beispielsweise die AOK Baden-Württemberg zwei Euro pro Versicherten, der zu Hause per Botendienst beliefert wird.

Schnelle und umweltschonende Auslieferung mit Lastenrädern

Möglich wäre dieser Botendienst auf kürzeren Distanzen mit Lastenrädern. Diese hätten für den Apotheker den Vorteil, dass die Medikamente umweltfreundlich an Kunden ausgeliefert werden können. Cargobikes sind leise, emissionsfrei, wendig und sie versperren in der zweiten Reihe nicht die Fahrbahn. Der Fahrer benötigt keinen Führerschein und muss das Rad nicht teuer mit Diesel betanken. Bei längeren Anfahrten empfiehlt sich ebenso ein kleiner Elektrotransporter.

Stärkungsgesetz: klarer Kompetenzgewinn für stationäre Apotheken

Die gesetzliche Grundlage für die Botendienste hatte bereits im vergangenen Jahr das Apothekenstärkungsgesetz geschaffen. Demnach dürfen stationäre Apotheken Arzneimittel im Botendienst auf Kundenwunsch grundsätzlich ausliefern. Die Regelung der Botendienste ist in der „Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung“ festgelegt. Neben der Angleichung des Preisniveaus ist dies ein klarer Kompetenzgewinn für Vor-Ort-Apotheken im Vergleich zu Online-Anbietern. Dabei muss die Apotheke dafür Sorge tragen, dass die geltenden Temperaturbedingungen eingehalten werden. Denn wie auch für den Großhandel gelten für die Präsenzapotheke beim Transport im Botendienst die Good Distribution Practice-Leitlinien (GDP) der EU. Diese sollen sicherstellen, dass die temperatursensivlen Medikamente in der vorgesehenen Qualität beim Kunden ankommen müssen.

GDP-Qualifizierung ist notwendig

Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, ist eine GDP-Qualifizierung der Transportbehälter und/oder -fahrzeuge notwendig. Die GDP sieht den Transport von Medikamenten gemäß Lagerbedingungen vor. Dies ist ein weiteres Qualitätsmerkmal im Vergleich zum Online-Versandhandel, da dieser nach wie vor keinen Temperaturanforderungen unterworfen ist. Darauf hatte unter anderem das European Institute for Pharma Logistics e.K. (EIPL) bereits 2017 im Rahmen einer Feldstudie hingewiesen. Die Studie machte deutlich, dass der von den Online-Apotheken gewählte Versandweg über herkömmliche Paketdienste die Transporttemperatur nicht berücksichtigte, wie es zum Beispiel bei Lieferungen des Pharmagroßhandels gemäß GDP üblich ist. Dabei wurden die Medikamente bei Temperaturspitzen oftmals entweder zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen ausgesetzt.

Aufwand lohnt sich langfristig

EIPL unterstützt übrigens Unternehmen auch bei der Qualifizierung von Fahrzeugen und bei Personalschulungen im Sinne der EU-GDP-Guideline. Zudem bietet das Institut auch für Apotheken das neue, interaktive Qualitätsmanagement „GDP@cloud“ an. Für die lokalen Apotheken bedeutet dies natürlich zunächst einen gewissen Aufwand, ebenso wie die Etablierung eines Botendienstes mit Fahrer. Dennoch könnte sich die Investition lohnen, da die Auslieferung der Medikamente nach Hause eine große Hilfestellung für Senioren und vorerkrenkte Menschen wäre – in und auch nach der Corona-Krise

 

Für die ausgebildete Redakteurin Nina von Imhoff sind logistische Prozesse und die Technik, die dahinter steckt, nicht so selbstverständlich wie sie meistens wahrgenommen werden. Vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Verstopfung der Innenstädte sind deshalb nachhaltige Lösungen gefragt. Deren Umsetzung auf der "letzten Meile" und die sich ständig wandelnde Branche sind für die PR-Beraterin in der Logistikbranche spannende Themen, bei denen es sich lohnt genauer hinzusehen und sie zu hinterfragen.